"Das Zentrum Potsdams ist ganz besonders: in allen Straßenzügen etwa gleich hohe kleine Häuser mit je zwei Stockwerken und manchmal einer zusätzlichen Gaube, alte Laternen, altes Kopfsteinpflaster. Am Ende dieses Altstadt Areals sind jeweils unübersehbare historische Bauwerke (Brandenburger Tor, Jägertor), in der Mitte Sperrpoller, um durchrauschenden Durchgangsverkehr zu unterbinden. Es gibt also nur Anlieger und Gelegenheitsverkehr, Fußgänger dürfen auch auf der Straße gehen. Der Clou jedoch: etwa 50 verschiedene Restaurants auf engstem Raum mit allen möglichen Angeboten Steakhaus, Weinlokal, deutsche, französische, griechische, spanische, russische, libanesische und persische Küche, Thai Restaurant, Inder, kroatische Kost und was es noch so gibt. Wir entschieden uns für persische Küche. Fast sämtliche Lokalitäten sind in kleinen Räumen mit jeweils geringem Platzangebot und so wurden wir zunächst abgewiesen, aber dann fand sich doch noch ein kleines Tischchen. Alles im Laila ist sehr eng, im Toilettenraum sogar so sehr, daß man sich kaum bewegen kann. Auffallend war an diesem Abend von Anbeginn die herzliche Gastfreundlichkeit des Servicepersonals. Da ich als Hauptspeise ein laut Karte Linsen enthaltendes Gericht bestellen wollte, wählte ich als Vorspeise, um etwaige Verdauungsprobleme zu vermeiden, nicht eine von mir sonst bevorzugte orientalische Linsensuppe, sondern eine Tomatensuppe. Die war mit durchaus reicher Geschmacksnote, harmonisch abgeschmeckt und insofern köstlich. Danach Kufte : Das ist nicht viel anders als die in der Türkei als Köfte bezeichneten gut gewürzten Hackbällchen, hier serviert mit geschroteten gelben Linsen, Tomatensoße und Reis. Es war eine recht ordentliche Portion, das Fleisch von sehr guter Qualität, alles wohlschmeckend und soweit empfehlenswert. Aber persisch??? Von den Linsen habe ich nichts bemerkt, also blieb Gehacktes in Tomatensoße mit Reis, wie es so ähnlich überall serviert wird, vielleicht mit einer homöopathischen Dosis persischer Gewürze. Ich habe einmal in einer anderen Stadt persisch gegessen, dort duftete es schon bei Ankunft wunderbar nach orientalischen Zutaten und das Essen schmeckte himmlisch, authentisch und natürlich auch etwas gewöhnungsbedürftig. Schade trotz bester Qualität, daß man sich hier offenbar davor scheut, so wie ja auch in zahlreichen Asia Restaurants hierzulande eine Kost geboten wird, die mit echter Landesküche der jeweiligen Herkunft weniger zu tun hat als vielmehr eine Annäherung an den hiesigen Standardgeschmack anstrebt. Um mehr Gäste anzulocken? Ich weiß es nicht. Meine Begleiterin hatte Sereschk Palau bestellt, bestehend aus Safranreis, kandierten Orangenschalen, Berberitzen, Lamm und Kalbfleisch, Spinat und Salat. Klingt interessant. Ich habe es nicht probiert, ihr hat es durchaus gut geschmeckt, aber auch sie fragte mich angesichts des doch wenig orientalisch geprägten Geschmackserlebnisses, was daran typisch persisch sein sollte. Ich konnte ihre Frage nicht beantworten. Aber wie auch immer: Das Essen schmeckt ungeachtet dessen hier sehr gut. Größtes Manko: Es wird nur Barzahlung akzeptiert. Willkommen im MIttelalter?"